Leseprobe - Das Geheimnis der Osiris

Diese Leseprobe ist aus dem Original geschriebenen Manuskript, ohne Lektorat!

Dieser Auszug ist aus dem ersten Kapitel.

Genre: Polit-Thriller.

Robert J. Kleberg University, Cincinnati

16 : 48 Uhr

Solche Vorlesungstermine gehörten eigentlich der Routine an. Botschafter Hartmann konnte sich irgendwie nicht so ganz auf seine Rede, auf die er sich gründlich vorbereitet hatte, konzentrieren. Da half ihm auch nicht, dass er die Kraft dafür in den jungen Gesichtern der Studenten suchte. Sonst klappte dies immer reibungslos. Er brauchte nur in die Gesichter der Zuhörer schauen, um ihre Leidenschaft, ihre Inspiration für die Zukunft zu erkennen und schon konnte er frei weg von der Leber reden. Er baute dadurch eine Art Vertrauensverhältnis zwischen ihm und seinen Zuhörern auf.

Aber heute wollte es einfach nicht klappen. Alles was er wahrnahm, war die Ungewissheit, die Angst vor terroristischen Anschlägen und die Zweifel an einer besseren Welt.

Hartmann stand wie versteinert hinter dem Rednerpult. Er fand einfach keinen Anfang. Ein kleines Pfeifkonzert ging durch die Aula.

„Zurzeit werden immer noch Leichen vom Kreuzfahrtschiff Osiris geborgen. Wie viele es am Ende tatsächlich sein werden, können wir nur schätzen. Ich kann es in ihren Gesichtern lesen. Sie spiegeln die Fragen wieder, die sich die ganze Welt stellt. War es ein terroristischer Anschlag? Mir wäre es eine Freude, ihnen zu sagen, dass es nur ein Unglück war, aber das kann ich nicht, weil die Untersuchungen gerade angefangen haben. Als Botschafter, egal welchem Land, ist es ein Alptraum, der sich in letzter Zeit zu oft wiederholt. Sie können mir ruhig glauben, wenn ich ihnen sage, dass ich ganz genau weiß, was sie empfinden. Denn ich empfinde es auch. Dies sollte eigentlich eine thematisierende Rede mit Perspektiven für ihre Zukunft sein. Aber ich werde eine Ausnahme machen. Sie können mir Fragen stellen, die ihnen auf dem Herzen liegen. Ich werde so gut es geht wahrheitsgetreu antworten.“

Es fehlte eigentlich nur noch das Blitzgewitter der Presseleute. Ansonsten hatte sich nur der Ort gewechselt. Alles andere war gleich.

„Weiß man schon wodurch die Explosion ausgelöst wurde?“ fragte ein junger Mann, der sich extra für diesen Anlass eine Krawatte kaufte und sie auch trug.

„Bisher noch nicht. Es gibt viele Varianten, wie eine Explosion zustande kommt. Beim Unfall wäre es durchaus denkbar, dass ein Materialschaden im Maschinenraum zu einem Brand geführt hat und die daraus resultierende Hitze die Dieselmotoren oder Gastanks zur Explosion gebracht haben könnte. Die anderen Wege einer Explosion kann man im Zeitalter der Technik alles im Internet nachlesen. Zeitbomben, nah- und fern gesteuert. Selbstmordattentäter. Ich muss ihnen nicht extra alle Details erzählen, denn sie sind alt genug um zu wissen, was ich meine.“ Erwiderte Botschafter Hartmann auf dem Podium.

„Wie läuft so eine Untersuchung ab?“ fragte eine Studentin aus der Mitte des Saals. Sie richtete ihre Brille und blickte sich im Saal um, setzte sich aber sofort wieder.

“Tja. Wir haben auch unseren Spickzettel dabei, wenn wir an diese Art von Arbeit gehen. Als erstes bilden wir einen Krisenstab, der intern, also innerhalb der Botschaft dafür sorgt, dass in der Stunde der Not, die Mitarbeiter beruhigt werden, dass alle ihre Arbeit machen und vor allem werden wichtige Aufgaben an die Mitarbeiter übertragen. Nebenbei agieren wir mit den zuständigen Behörden um relevante Informationen zu erhalten und sie auszuwerten. Einmal in der Woche verfasse ich dann einen Bericht, den ich nach Berlin zum Außenminister schicke. Natürlich auch via Internet.“

Die Studenten fangen an zu Schmunzeln und leise zu lachen.

„So alt bin ich noch nicht, dass ich den Umgang mit dem Computer verlernt habe.“

Ein erneutes Lachen bricht kurzerhand aus.

„Wie geht es weiter? An erster Stelle, noch vor der Untersuchung, ist die Betreuung der Überlebenden. Dies bezieht die Medizinische und seelische Betreuung ein. Meist befinden sich die Überlebenden an einem Ort, wo der Zugang für die Presse sehr erschwert ist. Danach sorgen wir für die Unterkünfte und fangen langsam an uns an die Besorgung von Informationen, aus der Sicht der Überlebenden. So versuchen wir Puzzle an Puzzle zu setzen. Aber in den Meisten Fällen können wir auf die Untersuchungsergebnisse der zuständigen Behörde oder Untersuchungskommissionen verlassen. Natürlich kümmern wir uns auch um die Opfer, sprich um die Toten. Wir überprüfen deren Identitäten und überführen sie nach Deutschland zurück. Alles Andere liegt in Gottes Händen.“

„Was passiert, wenn ABC Waffen zum Einsatz gekommen sind?“ fragte ein Dozent für Deutsch und English.

„Das wollen wir doch alle nicht hoffen? Die erste Kategorie können wir ausschließen, denn eine atomare Explosion hätte so ein Kreuzfahrtschiff in Millionen Teile zerlegt. Wahrscheinlicher wäre da Kategorie B und C. B bedeutet den Einsatz von biologischen Kampfstoffen, wie Bakterien, Pilze oder Viren. Anhand der Inkubationszeit könnten wir dann feststellen, ob jemand infiziert ist. Dafür sind die Quarantänelager gedacht, wo Überlebende und die Leichen gebracht werden. Sollte sich herausstellen, dass tatsächlich B oder C Waffen eingesetzt worden sind, dann wird das nationale CDC, das dem amerikanischen Gesundheitsamt untersteht, informiert. Ab da übernehmen sie die weiteren medizinischen Untersuchungen. Sie sorgen dafür, dass jeder gegen den biologischen oder chemischen Kampfstoff geimpft wird, so bald er feststeht.“

„Können sie uns sagen, wie sie als Botschafter zu den Untersuchungen stehen?“ will eine junge rothaarige Frau wissen, die ihre Lehrbücher auf ihrem Schoß liegen hat. Systematisch gingen natürlich sämtliche Blicke, der restlichen Zuhörer, in ihre Richtung.

„Junge Freundin. In der Öffentlichkeit sollte man Privat und Geschäftliches von einander trennen. Dies gilt natürlich in jedem Büro. Wenn sie meinen, dass so eine Tragödie mich kalt lässt, dann irren sie sich. Wie jeder normale Mensch, habe auch ich eine Familie. Ich mache mir jeden Tag Sorgen um sie. Ich bin kaum zu Hause und sehe meine Frau und meine Kindern nicht all zu oft. Manchmal würde ich gerne mit dem einfachen Arbeiter auf der Straße oder mit ihren Dozenten tauschen, denn nicht nur der Druck der Öffentlichkeit, sondern der Familie, der Politik und des eigenen Landes lastet nun auf meinen Schultern. Ich muss objektiv und fair bleiben, wenn ich Entscheidungen treffe. Subjektiv gesehen, geht es mir an die Nieren. Ich frage Gott, warum er so vielen Menschen das Leben genommen hat, wenn er doch der Gerechte, der Gott des Lebens ist. … Hat noch einer eine Frage?“

„Welche Aufgabe haben sie bei der Untersuchung des Unglücksfalls?“ fragte der Rektor der Universität der mit oben auf dem Podium sitzt, gleich zwischen zwei Sicherheitskräften der deutschen Botschaft. Hartmann drehte sich kurz um und blickte dem Rektor ins Auge, wandte sich aber wieder dem jungen Publikum zu.

„Wir haben unsere Aufgabenbereiche. Presse, Analytik, Sicherheit und so weiter. Damit alles reibungslos abläuft in der Botschaft, dafür sorge ich. Anhand von Informationen, die mir meine Mitarbeiter besorgen, verhandle ich mit politischen Größen aus dem Inland und Ausland. Ich repräsentiere mein Land, manchmal mit Stolz, manchmal auch nicht. In Zeiten wie dieser, erkennt man einen richtig guten Botschafter und man schätzt seine Arbeit.“

„Wird man von Deutschland erwarten können, dass man sich wieder gemeinsam mit der amerikanischen Regierung an einen Tisch setzt, um einen Plan gegen den aktiven Terror zu schmieden?“ ertönte die Frage aus dem Publikum.

„Ehrlich gesagt, kann ich diese Frage nicht beantworten. Diese Entscheidung trifft allein die Bundeskanzlerin. Sie spricht mit dem Präsidenten und dem amerikanischen Botschafter in Deutschland. Ob es sich dabei um einen militärischen Angriffsplan handelt oder um die Zutaten eines Wiener Apfelstrudels, diese Erkenntnis erhalte ich erst bei der öffentlichen Übertragung im deutschen Fernsehen oder erhalte eine Mitteilung über nahe gelegene Wege, die man beschreiten will. In diesem Sinne, hoffe ich, dass sie mir nicht all zu böse sind, wenn ich sie nun verlasse. Eine Menge Arbeit wartet auf mich. Auf wieder sehen und viel Glück auf ihrem weiteren Weg in die Welt ihres Berufes.“

Hartmann steckte das Mikrophon wieder in die Verankerung am Rednerpult und ging die kleine Treppe hinunter. Die Studenten applaudieren mäßig. Für Hartmann war klar, dass er hier keine Wahlrede gehalten hatte, sondern nüchterne Tatsachen, die einem die Haare zu Berge stehen lassen, auf den Tisch legte. Umringt von seinen Bodyguards verlässt er die Universität. Sein nächstes Ziel ist wieder einmal der Flughafen, um von Cincinnati nach Washington zu fliegen. Dabei kommt ihm das Gefühl, sich bei seiner Familie zu melden. Im Flugzeug wäre die beste Möglichkeit und Zeit hätte er auch zur Verfügung.

Das Buch wird von Projekte Verlag Cornelius GmbH in Halle/Saale verlegt. Vorbestellungen, Bestellungen und Fragen können per Email unter info@proejkte-verlag.de eingesendet werden.

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